Der Ampelkoalition wird endlose Streitsucht nachgesagt. Vor allem die Medien kolportierten gerne die Legende von den Streithähnen, indem sie jede Auseinandersetzung in der Sache zum Streit stilisierten. Das ewige Medien-Mantra lautete: „In der Ampelkoalition gibt es wieder Streit um … XY“, wobei für die Variable beliebig Heizungsgesetz, Mindestlohn, Energiekosten, Verteidigungsausgaben, Abschiebung oder die Schuldenbremse eingesetzt werden konnte.
Was wirklich ein Streit ist, haben wir jetzt live und in Farbe aus dem Oval Office im Weißen Haus präsentiert bekommen, als US-Präsident Donald Trump seinen Gast, den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, solange absichtlich provozierte, bis der den angebotenen Köder schluckte und zurückgiftete und damit den willkommenen Anlass gab, den vom Opfer zum Täter Umgedeuteten rauszuwerfen. Auf dem Sofa saßen Trumps wichtigste Begleiter wie die Ölgötzen, Vizepräsident JD Vance, Außenminister Marco Rubio und der Finanzminister Scott Bessent, wobei nur der Vize Vance die Stimme erhob, um Selenskyj vollends ins Messer laufen zu lassen.
Das ist ein Streit – und er war gewollt, geplant und gemacht. Jetzt herrscht Rambozambo auf dem politischen Parkett. Es gibt uns einen Vorgeschmack auf den neuen Stil der Diplomatie, in der Europa erst seine Schockstarre überwinden, dann seine einige Stimme und schließlich seine Willenskraft zurückgewinnen muss. Der britische Premier Keir Starmer hat an diesem Wochenende bereits vorgemacht, wie das gehen kann. Er hat kurzentschlossen zum Ukraine-Gipfel nach London eingeladen – und neben Bundeskanzler Olaf Scholz und weiteren europäischen Regierungschefs folgten Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, EU-Ratspräsident Antonio Costa und Nato-Generalsekretär Mark Rutte der Einladung. Rambozambo hat es dort allenfalls hinter verschlossenen Türen gegeben. Einigkeit ist jetzt das entscheidende Signal.
Der Erfinder von Rambozambo, Noch-Kanzlerkandidat Friedrich Merz, bleibt indessen vor den verschlossenen Gipfel-Türen. Das bedauern vor allem Christdemokraten, die Merz gerne eine Praktikumsstelle am Verhandlungstisch gegeben hätten. Doch er ist dazu verurteilt, statt Weltpolitik derweil seine Mini-GroKo zu schmieden, wofür er sich bis Ostern Zeit nehmen will. Uns stehen also 40 Tage politische Fastenzeit bevor, in der sich die Welt deutlich schneller weiterdreht – ohne ihn. Ob der in politischen Ämtern und auf der Weltbühne der Politik unerfahrene Friedrich Merz tatsächlich eine Bereicherung in der aktuellen Verhandlungsdiplomatie wäre, darf getrost hinterfragt werden. Immerhin hätte er – so sagt man ja – eine ähnlich geringe Impulskontrolle wie der US-Präsident. Das gäbe sicher Rambozambo.
Was wir jetzt bräuchten, wären gestandene Transatlantiker vom Schlage eines Norbert Röttgen oder eines Sigmar Gabriel, die über genügend Strippen verfügen, an denen sie jetzt im Geheimen ziehen könnten. Stattdessen werden wir uns mit außenpolitischen Newcomern wie Friedrich Merz oder Lars Klingbeil begnügen müssen. Der einzige im potenziellen Personaltableau mit Außenpolitik-Erfahrung dürfte der jetzige Verteidigungsminister sein, dem schon jetzt von vielen das Außenamt angetragen wird. Dabei wäre es ebenso wünschenswert, wenn er seinen Job im Verteidigungsministerium zu einem guten Ende führen würde.
Was derzeit an Posten-Schacher kolportiert wird, lässt einen ohnehin Schlimmstes ahnen. Eine Scheidungsanwältin als Familienministerin, eine Weinkönigin für die Wirtschaft, ein gewesener Gesundheitsminister für was auch immer, außer Gesundheit – und selbst der Bild-Zeitung fehlt die Fantasie, um der ehemaligen Digitalstaatssekretärin eine besondere Eignung für irgendein Ressort zuzugestehen. Am zielführendsten scheint noch die Belobigung des bayerischen Bauernpräsidenten zum Landwirtschaftsminister zu sein. Dafür gibt es jede Menge Länderproporz: ein Spätpubertierender aus Meck-Pomm als Minister für was auch immer, ein Schwabe als Kanzleramtsminister, ein Bayer – wie immer – als Verkehrsminister.
Für Donald Trump war die wichtigste Kernkompetenz bei seiner Regierungsbildung Hörigkeit und bedingungslose Loyalität – selbst, wenn es gegen den gesunden Menschenverstand geht. In Deutschland ist zu befürchten, dass auch hier die falschen Auswahlkriterien angewendet werden. Denn auch in der künftigen Bundesregierung dürfte Sachverstand nicht im Wege stehen.
Dass Sachverstand auch nicht unbedingt zu einer politischen Traumkarriere führen muss, hat in den letzten Jahren der glücklose Karl Lauterbach bewiesen, dem man alles nachsagen kann – nur nicht fehlende Kompetenz in Gesundheitsfragen. Aber ein bisschen mehr Technokraten, die sich für die Sache einsetzen und nicht die nächste Wiederwahl im Auge haben, täte dem Land wirklich gut.
Noch kann Friedrich Merz seine Regierung personell schmieden. In Zeiten der harten politischen Auseinandersetzungen, der Finanzkrisen und des Kriegsgeschreis wäre etwas mehr Fachkompetenz wünschenswert. Das gilt natürlich auch für das Amt des Bundeskanzlers selbst, der jetzt dringend einen Crash-Kurs in politischer Amtsführung absolvieren muss. Wir haben Führung bestellt, aber bekommen wir sie auch? Sonst herrscht ab Ostermontag Rambozambo.