„I bought this before Elon went crazy“ – „Ich habe diesen [Tesla] gekauft, bevor Elon [Musk] verrückt wurde“. Der Aufkleber mit diesem oder ähnlichen Sprüchen – drastischer ist wohl „…bevor wir erkannten, dass Elon verrückt ist“ – schmücken mehr und mehr E-Autos des lange als Darling der Börse gehandelten Unternehmens. Doch dieser Herausforderer der deutschen Automobilindustrie wurde inzwischen mit einem 40prozentigen Wertverlust abgestraft. Andere Fahrzeughalter labeln ihren Wagen um, kleben Mercedes-Sterne auf oder ein Toyota-Signet. Und wieder andere verscherbeln ihren Tesla zu Spottpreisen, weil sie für ihre Gebrauchten keinen Abnehmer finden. Wie auch? Allein in Deutschland ist die Zahl der Neuzulassungen im Februar um 75 Prozent zurückgegangen. Ein deutsches Gebrauchtwagen-Portal klagt bereits darüber, inzwischen mehr als tausend Teslas im Angebot zu haben – allesamt Ladenhüter. In den USA, wo E-Autos nie ein Status-Symbol für Republikaner waren, ist der Absatz ähnlich stark eingebrochen.
Und auch für Demokraten ist Tesla kein Gegenstand mehr, mit dem man sich auf der Straße sehen lassen möchte: Der ehemalige US-Astronaut Mark Kelly, der jetzt für die Demokraten im US-Senat sitzt, gibt in einem viral gegangenen Video-Post ausgerechnet auf dem von Musk kontrollierten Netzwerk X (Bild) seinen Tesla zurück, weil er – Vorsicht: O-Ton – kein Auto fahren möchte, das von einem „Asshole“ entworfen worden ist. Kellys Aktion ist die Retourkutsche dafür, dass Elon Musk ihn nach dessen Kiew-Besuch als „Verräter“ tituliert hat.
Nun ist es leicht, einen Tesla zugunsten eines anderen E-Autos auszutauschen. Schwieriger wird es bei kritischen Zukaufteilen. Schon jetzt haben mehrere Hundert US-Unternehmen beim US-Handelsministerium schriftlich ihre Sorgen eingereicht, dass ein drohender Handelskrieg dazu führen könne, wegen Zukaufteilen, die nur sehr teuer oder sehr begrenzt oder gar nicht außerhalb von Europa einzukaufen seien, die Produktion einzuschränken oder zu verteuern. Selbst Tesla gehört zu den Bittstellern, die dies befürchten.
Aber ist dieser „Tesla-Moment“ nicht tatsächlich ein Vorbote für eine „Kauf-keine-amerikanischen-Produkte“-Bewegung in Europa. Dazu mehren sich die Anzeichen. Während die USA bereits digitale Dienste wie die Aufklärung für die Ukraine einschränken oder auch das von Elon Musk kontrollierte StarLink als Kommunikationsnetzwerk für die Ukrainische Armee zur Disposition gestellt wird, denken Europäer darüber nach, auf welche amerikanischen Dienste sie verzichten wollen oder können.
Das Redaktions-Netzwerk Deutschland etwa hat bereits eine Liste anti-amerikanischer Angebote zusammengestellt: Mozilla Firefox statt Google Chrome bei Webbrowsern; Freenet, GMX oder web.de bei Mail-Diensten; Threema aus der Schweiz statt WhatsApp; DuckDuckGo als Suchmaschine statt Google; und nicht zuletzt AlephAlpha statt ChatGPT. Und auch ein Leben ohne Instagram und Facebook ist möglich.
Ein weiteres Mittel zur Entzweiung wären die Grundprinzipien des Europäischen Cloud Act, wonach personenbezogene oder anderweitig kritische Daten nicht auf Servern außerhalb der Europäischen Union gespeichert werden dürfen. Man könnte dieses Gesetz auch so auslegen, dass praktisch alle unliebsamen amerikanischen Anbieter vom europäischen Markt verwiesen werden, weil sie nie zweifelsfrei darlegen konnten, dass die Daten europäischer Unternehmen nicht doch im internationalen Server-Netzwerk irgendwann bei der NSA landen. Und wir alle erinnern uns noch an den empörten Ausspruch der damaligen Kanzlerin Angela Merkel: „Ausspähen unter Freunden – das geht gar nicht.“ Inzwischen wissen wir: Doch das geht. Was wir nicht wissen, ist: Sind wir noch Freunde.
Doch so einfach ist das nicht – und wäre es einfach, wäre es auch nicht klug: Ein IT-Projekt, in dem beispielsweise Oracle-Datenbanken durch ein europäisches Pendant abgelöst würden, könnte mehrere Personenjahre und Multimillionen an Kosten verursachen. Nicht einmal SAP wäre in der Lage, auf Microsoft-Produkte zu verzichten. Man kann getrost schätzen, dass 90 Prozent des deutschen Mittelstands seine Geschäftsfähigkeit durch Microsoft Office sicherstellt.
Dabei werden auch viele amerikanische Unternehmen gar nicht als Ur-amerikanisch wahrgenommen. Unternehmen wie Procter & Gamble oder Mondelez verstecken sich hinter ihren – von uns Deutschen liebgewonnenen – Markenprodukten. Und IT-Anbieter wie Microsoft treten im deutschen Mittelstand vor allem über ihre 30.000 mittelständischen Partner auf. Was diese Unternehmen jetzt tun müssen, ist weiterhin ein deutsches Narrativ aufzubauen. Es wäre falsch, jetzt die Kommunikation zu zentralisieren und als US-amerikanisches Unternehmen aufzutreten.
Denn niemand will ernsthaft auf US-Produkte verzichten. Und doch zeigt sich allmählich eine Haltung, die wie die „Ami-Go-Home“ Stimmung in der Studentenbewegung der späten sechziger Jahre klingt. Es ist nicht falsch, wenn Europa sich auf seine Stärken besinnt und lieber eigene Waffensysteme kauft als die Abhängigkeit von amerikanischen Lieferanten oder Gouvernanten in der Trump-Administration noch zu vertiefen. Doch auch in diesen eigenen Waffensystemen stecken genügend US-Patente. Wir können und wollen diese Verflechtung doch gar nicht auflösen.
Wenn die Pandemie, die durch das TrumpMusk-Virus ausgelöst wird, überwunden sein wird, „werden wir uns viel zu verzeihen haben“. Es ist jetzt wichtig, den Tesla-Moment richtig zu interpretieren. Auch ein Musk darf einmal erfahren, was es bedeutet, Opfer einer Kettensägen-Politik zu werden. Aber am Ende werden wir doch wieder zueinander finden. Auch das wäre dann ein Tesla-Moment.
PS: Dieser Blog entstand mit amerikanischer Unterstützung. Er wurde mit Microsoft Office unter Microsoft Windows geschrieben, eine Sicherungskopie liegt in der Microsoft Cloud, die Mail wurde mit Googles Gmail verbreitet – aber die Website, auf der er veröffentlich wird, ruht auf einem Server der 1&1-Tochter Ionos.