Nach Beobachtungen der Kreditanstalt für Wiederaufbau sinkt die Investitionstätigkeit der Deutschen, was sich nicht nur an der um 35 Prozent gegenüber der Vor-Corona-Zeit gesunkenen Zahl der Übernahmen im Mittelstand zeigt. Auch bei den rund 760 Mergers and Acquisitions pro Jahr, die die KfW seit 2021 kontinuierlich wahrnimmt, zeigt sich eine deutliche Tendenz: die Zahl der Übernahmen aus dem Ausland nimmt folgerichtig proportional zu. Dabei zeigt sich: US-Amerikaner interessieren sich besonders für deutsche IT-Unternehmen, während chinesische Investoren bevorzugt im deutschen Maschinen- und Anlagenbau wildern.
Es fühlt sich an, wie „Roberts Reste-Rampe“, die da verscherbelt wird. Beide Investorengruppen sind neben deutschem Know-how vor allem an den Kundenkreisen interessiert, die deutsche Mittelständler aufgebaut haben. Denn noch sind vor allem die größeren Mittelständler am Weltmarkt erfolgreich. Doch die Hidden Champions kämpfen mit widrigen Bedingungen am Heimatstandort: Hohe Energiekosten treffen nicht nur die energieintensiven Industrien in Deutschland, sondern treffen jedes Unternehmen. Bürokratieaufwände, langsame Planungsverfahren, hohe Belastungen bei der Firmenübergabe und der sich verschärfende Fachkräftemangel, bei gleichzeitiger Zurückhaltung bei der digitalen Transformation und dem Einsatz von künstlicher Intelligenz lähmen den Wirtschaftsstandort nicht erst seit dem Start der Ampelkoalition.
Seit 799 Bonnblogs oder umgerechnet 16 Jahren warne ich vor dieser Entwicklung. Es wäre deshalb falsch, Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck die Alleinschuld am Ausverkauf des deutschen Mittelstands zuzuschreiben, der eine ganze Reihe von „Altmaiers Altlasten“ geerbt hat. Und „Christians Chaos Club“, der sich an die Schuldenbremse klammert, als hätten nicht Generationen von überforderten Bundesverkehrsministern das Infrastrukturproblem bei Schiene und Straße herbeigespart, trug ebenso dazu bei wie „Merkels Mehltau-Methode“, die das ganze Land in ein brämiges Bramabasieren geführt hat. Und „Scholzens Schweige-Schlamassel“ führt uns da auch nicht hinaus.
Jetzt haben wir die Quittung in Form einer Studie über die sogenannten „Mid Caps“, die großen Mittelständler mit einer Belegschaft zwischen 250 und 3000 Menschen. Sie repräsentieren mit einer Anzahl von gut 16.000 Unternehmen zwar nur ein halbes Prozent des deutschen Mittelstands, stellen aber in zahlreichen deutschen Traditionsbranchen mit insgesamt zehn Millionen Arbeitsplätzen den Löwenanteil der Jobs. Und sie sind einer der wichtigsten Träger des deutschen Exportanteils. Diese „Mid Caps“ – kurz für Midsize Capitalization – geraten wegen hausgemachter Probleme auf den Weltmärkten immer mehr unter Druck.
Ihre Alternativen sind bescheiden: Werksstilllegungen hierzulande und Verlagerung der Produktion ins kostengünstigere Ausland, sind für die größeren eine Maßnahme der Wahl. Das trifft vor allem die Städte und Regionen, in denen sie in Deutschland über viele Nachkriegsjahrzehnte angesiedelt sind. Sie sind dort nicht selten der größte Arbeitgeber, liefern einen wesentlichen Anteil der kommunalen Gewerbesteuer und sorgen für einen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Zusammenhalt. Bundesländer wie Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg oder Bayern sind unmittelbar abhängig vom Erfolg dieser Mid Caps.
Das Institut der deutschen Wirtschaft hat jetzt auf 66 Seiten vorgelegt, wie es zu dieser Krise der „strukturgebenden Mittelständler“ kommen konnte und welche Lösungsvorschläge nun umzusetzen sind. Zu den Ursachen zählt das IW auch die einbrechende Nachfrage nach Investitionsgütern im Inland, was wiederum mit Perspektivlosigkeit erklärt wird. Bei den Lösungsansätzen sind es die Klassiker: Bürokratieabbau, Investitionen in die Infrastruktur, Steuererleichterungen, Fachkräftezuzug aus dem Ausland, weniger restriktive Auslegung von EU-Richtlinien und eine verlässliche Politik.
Reicht das noch? Wir brauchen vor allem eine Mentalität des „Ärmel-Hochkrempelns“. Wir brauchen Perspektiven für Investitionen. Wir brauchen Mut zu Innovationen. Und wir brauchen mehr Standortattraktivität, um sowohl hiesige als auch ausländische Investoren für ein Engagement in Deutschland zu begeistern. Kurz gesagt: Wir brauchen ein Wirtschaftswunder.
Bevor ich wieder Beifall von der falschen Seite bekomme: Wir brauchen bestimmt einige Alternativen IN Deutschland, aber gewiss keine Alternative für Deutschland, die die bestehenden Probleme nur verschärfen würde, statt sie zu lösen. Oder um mit Hape Kerkeling zu sprechen. „Welcher Idiot kann in so einer Partei sein.“ Da würde aus der Reste-Rampe eine Rechte Rampe abwärts in den vollständigen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Niedergang.
Zum Abschluss heute noch etwas Erfreuliches:
Von Herzen meinen Glückwunsch an Bertram Kawlath zur Wahl zum VDMA-Präsidenten letzte Woche!
Seine Erfahrung und sein kluger Weitblick machen ihn zur perfekten Wahl in diesen herausfordernden Zeiten. Er bringt nicht nur eine beeindruckende Expertise, sondern auch die Fähigkeit mit, Menschen zu begeistern und komplexe Themen verständlich zu machen. Jetzt – wann sonst – ist der Moment, den deutschen Maschinenbau auf neue Höhen zu führen und den Herausforderungen mit Mut und Innovationskraft zu begegnen. Ich bin sicher, dass er die Weichen richtig stellen wird, um die Branche zukunftssicher zu machen. Viel Erfolg auf diesem spannenden Weg – der VDMA hat in ihm einen echten Macher gewonnen!
Heinz-Paul Bonn - Freund und BDI-Mittelstands-Kollege seit vielen Jahren